Familienleben

Gewaltfreie Kommunikation in der Familie und Erziehung

Gewaltfreie Kommunikation in der Familie und Erziehung

Wenn man Eltern fragt, ob sie ohne Gewalt erziehen, sagen die meisten ziemlich sicher und schnell “Ja”. Und sie meinen es auch wirklich so. Schließlich wollen Eltern ihrem Kind niemals Gewalt antun. Aber wie wird Gewalt genau definiert? Und was ist eigentlich gewaltfreie Kommunikation? Viele Eltern schreien ihre Kinder auch mal an, wenn sie nervlich am Ende sind und alles zu viel erscheint. Ist das dann schon Gewalt?

Diese Grundlagen müssen wir erstmal definieren, bevor wir uns genauer mit dem Thema Gewaltfreie Kommunikation in der Familie und der Erziehung beschäftigen.

Ja, gewaltfreie Kommunikation ist in vielen Situationen verdammt schwierig umzusetzen, vor allem wenn man sich neu damit beschäftigt. Aber gewaltfreie Kommunikation in der Familie einzuführen ist machbar und kann dazu beitragen, dass wir in unseren Familien möglichst harmonisch zusammenleben. Schritt für Schritt – eins nach dem anderen. Fangen wir also ganz am Anfang mit einer kurzen Definition an.

Was ist Gewalt?

Viele werden sich erschrecken, wenn ich jetzt sage, dass Gewalt schon bei Vorwürfen und Verallgemeinerungen beginnt. Sie sind Teil vieler Streitgespräche und Konfliktsituationen und haben das (oftmals unbewusste) Ziel, das Gegenüber herabzuwürdigen, zu bevormunden und klein zu machen. Sätze wie “Sei nicht so ..!”, “Immer machst du…”, “Kannst du nicht mal…”, wirken wie ein Angriff auf unser Kind oder unseren Partner, werten ab und sind verletzend.

Zur Gewalt gehört also nicht nur der körperliche Aspekt, wie packen oder gar schlagen, sondern vor allem der verbale, welche Sprache und Wörter man in Konfliktsituationen verwendet, wenn man nörgelt, schimpft, droht und schreit.

Wie kann gewaltfreie Kommunikation funktionieren?

Eine Gewaltfreie Kommunikation (GFK) kann helfen, dass wir Dinge so formulieren, dass sich niemand, vor allem unser Partner und unsere Kinder, von uns angegriffen und verletzt fühlen. Dadurch kann in Konfliktsituationen sachlich und respektvoll eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden, die das Familienleben und die Bindung der Familienmitglieder positiv beeinflusst. Es geht darum, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren und sich mit Respekt, Empathie und Wertschätzung zu begegnen. Grundlage dafür sind Mitgefühl und das Verstehen der Beweggründe sowie der Bedürfnisse des Gegenübers. Gewaltfreie Kommunikation bedeutet aber auch, dass man akzeptiert, dass das eigene Bedürfnis unter Umständen nicht erfüllt werden wird. 

Wie kann das also nun praktisch im Familienalltag funktionieren? In einer Konfliktsituation sollten Eltern die Situation zuerst wertfrei beschreiben, danach die eigenen Gefühle dazu benennen, ihr Bedürfnis benennen und am Ende eine klare Bitte formulieren. Dafür hat der amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg die folgenden 4 Schritte festgelegt.

Die 4 Schritte in einer Konfliktsituation mit dem eigenen Kind

  1. Beobachtung: Wir beobachten die Situation genau und versuchen, sie dem Kind neutral und wertfrei zu beschreiben. Dabei müssen wir unbedingt darauf achten, dass wir weder beurteilen noch bewerten, sondern die Situation ganz sachlich von außen darstellen. Sonst kann es sich kritisiert oder angegriffen fühlen und in Abwehrhaltung gehen.
  2. Gefühle: Wir erklären dem Kind, was die Beobachtung für Gefühle bei uns auslöst, z.B., dass es uns ärgert, dass wir traurig sind oder dass es uns verletzt. Je präziser wir unsere Gefühle darstellen, desto besser kann das Kind uns verstehen.
  3. Bedürfnis: Jetzt bringen wir diese Gefühle in direkte Verbindung mit unserem Bedürfnis. Dadurch zeigen wir, dass wir selbst für unsere Gefühle verantwortlich sind und die Situation nur der Auslöser ist.
  4. Bitte: Am Ende richten wir eine möglichst klare Bitte an unser Kind, die positiv formuliert ist, damit das Kind weiß, was wir von ihm möchten. Dabei ist wichtig, dass es eine Bitte ist, auf die auch ein “Nein” folgen kann, und keine Forderung, die bei Nichtbeachtung bestraft wird. Eine Forderung und Bestrafung sind nicht im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation.

Die Gewaltfreie Kommunikation ist also eine effektive Methode der zwischenmenschlichen Kommunikation, insbesondere in der Familie und in der Erziehung. Indem wir unsere Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten auf eine respektvolle und empathische Art ausdrücken, können wir Konflikte lösen und unsere Beziehungen stärken.

Gelingt gewaltfreie Kommunikation bei uns?

Das klingt jetzt alles zu schön, um wahr zu sein, oder? Denn in Konflikten oder in einer emotional aufgeladenen Situation immer so zu reagieren, ist eine riesige Herausforderung. Aller Anfang ist schwer. Auch das Erkennen und Formulieren der eigenen Gefühle und Bedürfnisse ist schwer. Daher heißt es vor allem am Anfang: üben, üben, üben.

Bei uns klappt es an manchen Tagen besser und an vielen Tagen überhaupt nicht. In der Theorie weiß ich ganz genau, wie ich reagieren muss. Aber je weiter der Tag voranschreitet und je mehr sich die Konflikte an diesen Tagen häufen, desto schwerer fällt es sachlich und besonnen zu reagieren. 
Vor allem bei meinem Sohn (3), der sich gerade mitten in der autonomsten Autonomiephase befindet und von einem Wutanfall ich den nächsten stolpert, fällt es mir wahnsinnig schwer. Und schon ertappt man sich dabei, wie man wieder meckert, nörgelt, schimpft und laut wird. Ich muss sagen, es macht mich auch wirklich rasend, wenn er zum zehnten Mal etwas frech grinsend nach seiner Schwester schmeißt. Ein Glück, dass er nicht so gut zielen kann.

Auch das Benennen und Erklären der eigenen Gefühle und Bedürfnisse fällt mir relativ schwer, da ich das in meiner Kindheit nicht gelernt habe. Zu sagen, dass man sich ärgert, fällt noch leicht, aber danach wird es auch schon schwierig. Und dann noch herauszufinden, was in dieser speziellen Situation das eigene Bedürfnis ist und zu benennen, warum man sich ärgert, traurig ist oder verletzt fühlt, ist nochmal eine große Herausforderung.

Und dann hat man alles schön beschrieben, seine Gefühle und Bedürfnisse dargelegt, eine freundliche Bitte an das Kind gerichtet und vom Kind kommt schließlich nur ein plumpes “Nein” zurück. Tja, dann ist man erstmal baff und muss irgendwie doch einen gemeinsamen Konsens finden und die Situation so friedlich wie möglich auflösen.

Aber ich bin motiviert, es weiter zu versuchen und gebe nicht auf. Die Theorie ist klar, jetzt gilt es das ganze in die Praxis umzusetzen und mit in den Alltag zu nehmen. Und je mehr ich übe, desto einfacher wird es mir fallen und desto natürlicher wird es sich anfühlen. Schritt für Schritt, einen Fuß nach dem anderen. Bis wir in einem vollkommen harmonischen Familienleben angekommen sind. Hoffentlich ist das ganz bald.

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